Dienstag, 18.2.2025 • 0° C, bewölkt, Nebel, windstill
GPS Position um 12 Uhr: 65°04.2’S / 064°01.9’W
Geht es noch besser? Ja, es geht noch besser! Denn heute steht die zweite Aktivität am Plan, die ich unbedingt machen wollte. Kayaking! Darauf freu ich mich schon sehr! Bald nach dem Frühstück geht es los. Wir gehen zur Materialausgabe und kriegen einen Neopren-Anzug, Neopren-Schuhe, eine wasserfeste Jacke, Neopren-Handschuhe und eine Rettungsweste. Zurück im Zimmer kombinieren wir die geliehen Teile mit unserer eigenen Ausrüstung und sind dann endgültig zum Michelin-Männchen (-Frauchen) mutiert. Der Neopren-Anzug geht über unsere wärmende Unterwäsche und unter die Vlies-Schicht. Interessante Kombination, aber durchaus wirkungsvoll, nämlich sehr wärmend, wie wir während der 2 Stunden am Wasser feststellen werden. Auf geht’s zu den Zodiacs. Das Schiff hat vor der Bucht von Port Charcot angelegt. Wir fahren mit den Zodiacs ein Stück weg vom Schiff, die Kayaks im Schlepptau und müssen am Wasser vom Zodiac in die Kayaks umsteigen. Nach genauer Instruktion schaffen das auch alle, ohne baden zu gehen. Michelle als bereits erfahrene Kayakerin kriegt ein Einzelkayak zugeteilt. Ich gehe daher mit Matt aus den USA in ein Zweierkayak, er hinten, ich vorne. Wow, ich bin überrascht, wie wackelig das Kayak doch ist! Wir ziehen zwischen dem Treibeis ein paar Übungsrunden, um uns mit dem Kayak vertraut zu machen und ich merke, mein Beifahrer hat wesentlich mehr Kayak-Erfahrung als ich. Wunderbar ist das! Immer wieder müssen wir größeren Treibeis-Stücken ausweichen, diese könnten uns umkippen, die kleineren Teile stören uns nicht. Das Zodiac begleitet uns mit Abstand, im Notfall wäre es sofort zur Stelle. Das Wasser ist komplett ruhig, die Bucht liegt vor uns, als wäre es ein See. Es ist sehr nebelig heute und die Landschaft um uns ist in Weiß gehüllt. Die Berge im Hintergrund verschwinden komplett und das Wasser der Bucht scheint nahtlos in den Himmel überzugehen. Es wirkt, als wäre eine Glocke über die Bucht gestülpt und hinter der Nebelwand würde die Welt aufhören. Wir bewegen uns in einer surreal anmutenden Welt. Das dunkle aber unglaublich klare Wasser des Südpolarmeeres trägt uns und wir gleiten durch die Bucht. Verzaubert. Plötzlich ein Pfauchen … das Ausatmen eines Buckelwales. Nicht weit von uns entfernt entdecken wir das Tier, ruhig liegt es im Wasser. Wir sind völlig fasziniert, und aufgeregt … geht es noch besser? Das ultimative Erlebnis! Es ist sehr faszinierend, sich so nahe an der Wasseroberfläche zu bewegen und sich auf einer Eben mit dem majestätischen Tier zu befinden. Eine Weile beobachten wir den Wal, verfolgen ihn auf Abstand und fassen wieder einmal unser Glück nicht. Pure Magie! Es ist mit Worten nicht zu beschreiben. Dann beschließen wir, ihn wieder ungestört ruhen zu lassen und paddeln weiter, vorbei an Eisbergen in den schönsten Formen und jeder Größe. Pinguine tummeln sich neben uns im Wasser, tauchen unter, tauchen wieder auf und springen flink an uns vorbei. Immer weiter fahren wir rein in die Bucht, die Eisberge werden noch üppiger und beeindruckender – immer noch die weiße Nebelwand im Hintergrund. Es ist, als würden wir direkt durchs Märchenbuch paddeln. So losgelöst von allem irdischen fühle ich mich gerade. Ich möchte den Moment festhalten, diese Magie und diese Schönheit – und dieses Gefühl des dahin Gleitens am ruhigen Wasser in der Bucht, die komplette Stille, nicht einmal der Wind mag diese Stille heute stören. Nur das Eintauchen unserer Paddel hört man.
Langsam werden die Finger kalt vom Spritzwasser, die Feuchtigkeit kriecht in unsere Kleidung rein, ich bin sehr froh über den Neoprenanzug, der mich trotzdem halbwegs warm hält. Nach 2 Stunden am Wasser ist es Zeit, wieder in die Realität zurück zu kehren. Wir steigen in das Zodiac um, und plötzlich kriegen wir nochmal Besuch – in etwas Entfernung macht sich ein Minkwal bemerkbar, verschwindet aber gleich wieder. Und da, eine Weddelrobbe, kommt näher, taucht unter unsere Kajaks durch, taucht noch zweimal auf und verschwindet auch. Wir fahren zurück zum Schiff. Ein unglaublicher Vormittag. Ich hatte heute mein ultimatives Antarktis-Erlebnis. Ich glaube, besser geht es einfach nicht mehr.
Zurück am Schiff merke ich erst, wie kalt mir ist. Zuerst eine heiße Dusche und dann die nassen Sachen aufhängen. Es gibt nicht viel an Kleidung, die heute trocken geblieben ist. Noch vor dem Mittagessen gehe ich mit der Kamera an Deck und verliere mich in der neuen Umgebung. Das Schiff ist gerade auf dem Weg zum neuen Ankerplatz, eine Bucht unweit entfernt. Die Landschaft immer noch in Nebel gehüllt, kann ich mich gar nicht sattsehen an den vorbeitreibenden Eisbergen. Es wird wohl nie langweilig, diese Kunstwerke zu betrachten.
Nach dem Mittagessen gibt es eine kurze Ruhephase und dann geht’s um 14:30 Uhr aber auch schon wieder weiter zu unserem nächsten Landgang. Während wir noch am Schiff auf das Zodiac warten, taucht in etwas Entfernung von uns ein Wal auf und verschwindet gleich wieder. Einfach so. Nicht nur wir sind begeistert, auch die Guides erfreuen sich immer wieder an diesen spontanen Sichtungen.
Auf Peterman Island werden wir wieder von hunderten Eselspinguinen begrüßt. Den Namen verdanken die Pinguine ihrem Geschrei, das sehr an das eines Esels erinnert. Es gibt einige Küken, die noch ihr dickes, flauschiges Daunenfedernkleid tragen, bevor sie zu Mausern beginnen. Unglaublich entzückend sind die. Außerdem finden wir hier auch eine kleine Kolonie von Adeliepinguinen, die durch ihre weißen Augenringe auffallen. Wir spazieren herum und haben genug Zeit, um die Pinguine zu beobachten. Heute ist es besonders witzig mit ihnen, weil sie sehr mobil sind. Sie watscheln herum, eilen von A nach B, fallen nieder, stehen wieder auf, watscheln weiter, fallen wieder, rutschen ein Stück auf dem Bauch weiter, stehen wieder auf, hüpfen über Steine – ein geschäftiges Treiben ist das heute. Kreuz und quer sind sie auf ihren Pinguin-Highways unterwegs. Pinguine gehen gerne ihre ausgetretenen Pfade, nur sehr ungern weichen sie von diesen ab. Ich mache mich auf den Weg zu einem Aussichtspunkt. An einer Engstelle bleibe ich stehen und fotografiere die schöne Aussicht auf die Bucht. Ich höre, wie sich hinter mir leise Schritte nähern, wundere mich noch, dass sich niemand bemerkbar macht und fotografiere weiter. Als ich mich dann umdrehe, steht ein Eselspinguin hinter mir. Wartet, dass ich ihm den Weg frei mache. Ich muss schmunzeln. Der Pinguin hat aber offenbar nun doch genug von mir und dreht noch um, bevor ich ihm den Weg frei machen kann. Er watschelt davon. Das Watscheln der kleinen Tollpatsche hört man tatsächlich oft sehr laut und es klingt unglaublich süß, wenn die Flossen an einem vorbeiklatschen … tapp, tapp, tapp ... Fast mit schlechtem Gewissen geh ich weiter zum Aussichtspunkt. Dort treffe ich Steffie, ein(e) Guid(in) unserer Crew, die als Deutsche in Wien wohnt aber sowieso nie da ist, weil sie sich meistens am Schiff in der Antarktis aufhält. Bevor wir Touristen irgendwo an Land gehen, gehen die Guides das Areal ab, untersuchen es je nach Gebiet auf Gletscherspalten oder Überhänge, an denen das Eis abbrechen könnte und markieren die für uns freigegeben Pfade mit Stecken. Wir dürfen uns dann an den markierten Wegen aufhalten. An den markanten Punkten sind dann auch zusätzlich noch unsere Guides vor Ort, um sicherzustellen, dass wirklich alles korrekt abläuft und die Regeln der Antarktis beachtet werden. Steffi und ich gehen als letzte gemeinsam den Weg zurück zum Zodiac, während sie alle Stecken wieder einsammelt und mitnimmt. Das Areal ist geschlossen. Wir fahren mit den Zodiacs über die immer noch mit Nebel verhangene Bucht zurück zum Schiff.
Kaum sind alle an Bord, setzt sich die MS Plancius auch schon in Bewegung für den nächsten Standortwechsel. Zu unserer Überraschung geht es Richtung Norden, den Weg zurück, den wir hergekommen sind. Wow, damit hatten wir nicht gerechnet … das kam sehr unvorbereitet. Das erste Mal denken wir daran, dass diese Reise irgendwann vorbei sein wird. Das ist ein Gefühl, mit dem wir uns jetzt eigentlich noch nicht auseinandersetzen wollten. Fast passt das Gefühl zum dünnen Eis, dass sich draußen auf dem Meer langsam bildet. Die Temperaturen sind gesunken und das Schiff bannt sich den Weg durch das Südpolarmeer. Immer wieder hört man lautes Krachen, Kratzen und Scharren – eine Eisscholle schrammt an den Schiffskörper.
Bei der Durchfahrt durch den Lamaire Kanal beginnt es sehr stark zu schneien. Fotografieren hat so keinen Sinn, weshalb wir den angeblich schönsten Teil der antarktischen Halbinsel dieses Mal nur durchs mit Tropfen belegte Fenster der Lounge beobachten. Michelle und ich bestellen uns einen Gin Tonic und führen sehr schöne Gespräche über Freundschaft, Glück, das Leben an sich, die Bedeutung dieser Reise für uns und die Spuren, die sie hinterlassen wird.
Video von Matt
Die sind sooooo süß die Pinguine! Und das Eis so schön sein kann…. Unglaublich!
Wow! Es wird von Bericht zu Bericht faszinierender! 😯😎
Das Auftauchen des Wals direkt neben dem Zodiac: Unpackable! 😀