top of page

Alles hat ein Ende – Tag 10

Autorenbild: Margit A. SchmidMargit A. Schmid

Aktualisiert: vor 4 Tagen

Samstag, 22.2.2025  • 2° C, bewölkt, nebelig, Nieselregen, windstill

GPS Position um 12 Uhr: 62°56.1’S / 060°28.1’W

Wir werden bereits um 6:45 von Adam über den Lautsprecher geweckt, „Good morning, good morning, good morning!“. Wir haben heute einen engen Zeitplan. Um 7 stehen wir an Deck und beobachten, wie das Schiff die schmale Meerenge von Deception Island "Neptunes Bellows" passiert.

Die Insel ist der Kraterrand eines aktiven Vulkans (der letzte Ausbruch fand im Jahr 1969 statt). Durch eben diese schmale Meerenge kommt das Schiff direkt ins Innere des Kraters, wo wir Anker auswerfen. Um 7:15 Uhr geht es weiter zum Frühstück und noch bevor ich mich wieder in meine unzähligen Schichten und die Boots rein quäle, klebe ich, wie viele andere auch, das kleine Pflaster gegen Seekrankheit hinter mein Ohr. Es dauert 10 Stunden, bis die Wirkung einsetzt. Naja, mal schaun ... Ich bin etwas unentspannt, was die neuerliche Durchquerung der Drake Passage betrifft.

Um 8 Uhr stehen wir also wieder beim Zodiac-Boarding, um in der "Whalers Bay" an Land zu gehen. Es bietet sich uns ein völlig anderer Anblick. Kein Eis und Schnee, keine Eisberge, sondern dunkles Vulkangestein. Die Hügel sind, zwar spärlich aber immerhin, mit Moos oder kleinen Gräsern bewachsen. In der Whalers Bay wurde im letzten Jahrhundert eine Walfangstation betrieben und im großen Ausmaß Walöl gewonnen. Zurückgeblieben sind verfallene Häuser, verrostete Kessel, Überreste von Holzbooten und Walknochen. Pinguine und Fellrobben haben den Hafen in Besitz genommen und ihm wieder Leben eingehaucht. Nebel zieht über die Küste, ein wirklich sehr mystischer Ort. Wir spazieren den Strand entlang, wo uns unzählige Robben begrüßen. Sehr süß sind die kleinen Kerle, aber doch auch recht frech. Eine Robbe sucht Streit. Sie läuft immer wieder auf uns Inselbesucher zu, was durchaus unangenehme Folgen haben kann. Jakub, unser Glaziologe, stellt sich ihm mit ausgebreiteten und erhobenen Armen in den Weg. Beide haben lange Blickkontakt. Die Robbe deutet immer wieder eine Bewegung nach vor an, zieht dann aber jeweils zurück. Letztendlich gibt sie sich geschlagen und mischt sich unter die anderen Robben. Wir marschieren einen Hügel hinauf, zum „Neptuns Fenster“, eine Öffnung zwischen zwei Felsen. Von dort aus hat man einen Blick auf das offene Meer außerhalb des Vulkankraters. Direkt am Fuß der Felsen liegt ein kleiner Strand. Der Nebel hebt sich langsam, die gesamte Berglandschaft wird sichtbar. Es gibt so viele Fotomotive hier auf der Insel, man könnte Stunden nur in der kleinen Bucht verbringen. Soviel Zeit haben wir aber leider nicht … die Guides zögern unsere Abfahrt von der Insel so lange wie möglich hinaus, aber irgendwann muss es wohl sein. Sie spüren auch, dass eine gewisse Schwermut über diesem letzten Tag liegt. Nach 11 Uhr geht es zurück aufs Boot.

Eine kleine Auflockerung erwartet uns beim Mittagessen: es gibt (Hühner-)Schnitzel und Erdäpfelsalat. Ich finde das in diesem Moment großartig – ich glaube, ich habe schon lange nicht mehr ein Schnitzel so genossen. Ich sitze heute zufällig an einem Tisch mit vielen Deutschen – wir haben die beste und lustigste Zeit, während wir unser Mittagessen verschlingen.

Das Essen am Schiff ist generell sehr großartig – eine kulinarische Reise rund um den Globus und immer in höchster Qualität, manchmal Buffet, manchmal mit Tischservice. Man muss sich schon zusammen reissen, am Ende nicht mit einigen Kilos mehr von Bord zu gehen. Großartig war auch der Pasta-Tag oder der Burger-Tag. Oder der Tortilla-Tag oder … ja genau, zusammen reissen.

Gut gestärkt stehen wir also um 13:30 Uhr wieder beim Ausgang, bereit für den allerletzten Landgang auf unserer Reise. Am „Elephant Point“ auf Livingston Island werden wir die gewaltigen und sehr skurril anmutenden See-Elefanten antreffen. Wir haben Glück. Einige der Guides waren selbst noch nicht auf Deception Island oder Elephant Point. Diese beiden Stationen sind auf der Reise nur ein Bonus, falls am Ende Zeit übrig bleibt. Oft müssen nämlich auf so einer Reise Landungen wetterbedingt verschoben werden. Da wir aber wirklich großes Wetterglück hatten, konnten wir alle Stationen wie geplant anfahren und hatten am Ende den einen Tag extra für die Südlichen Shetlandinseln. Also können wir am Nachmittag Elephant Island betreten. Bereits an der Ausstiegsstelle begrüßen uns hunderte Eselspinguine. Gleich daneben liegt eng zusammen- und übereinander geschoben eine Gruppe von See-Elefanten. Unglaublich, wie mächtig die Tiere sind – und sehr außergewöhnlich in ihrer Erscheinung. Auf jeden Fall sind die größten Robben der Welt faszinierend! Ihr Laut ist ein tiefes, voluminöses Rattern, das aus ihrem mächtigen Körper ausgestoßen wird. Lange beobachten wir die Gruppe. Dann wandere ich weiter über die Insel. Sehr grün ist sie, das ist ein ganz ungewohnter Anblick. Man muss sich richtig den Weg suchen, um nicht auf das hellgrüne, saftige Gras zu treten. Der Weg führt vorbei an einer temporären Forschungsstation. Ein brasilianisches Team hat für ein paar Monate ein Zeltlager aufgebaut. Auch das ist ungewohnt für uns – andere Menschen zu treffen. Ich gehe weiter an die andere Seite der Bucht – dort hält sich eine weitere Gruppe von See-Elefanten auf. Mir scheint, die Tiere sind noch größer und gewaltiger als die zuerst beobachteten. Vor allem ist diese Gruppe extrem aktiv. Die See-Elefanten liefern sich unentwegt Kämpfe unter lautem Gebrüll. Ständig beginnt irgendwo ein Tier zu stänkern und zu zeigen, wer der Stärkere ist. Unter immenser Anstrengung werfen sie sich auf und gegen die anderen Tiere, die mächtige Körpermaße vibriert unter ihren Bewegungen. Fasziniert stehen wir alle da, filmen, fotografieren, staunen, beobachten. Das ist auch für die Guides ein unglaubliches Erlebnis, die Tiere so nah und so aktiv zu erleben. Ein schöner Abschluss unserer vielen Erlebnisse. Genau, da ist es plötzlich, ziemlich massiv steht auf einmal das Ende da.

Wir marschieren zurück zur Anlandungsstelle, wo schon die Zodiacs auf uns warten. Immer langsamer werden unsere Schritte. Da noch ein Foto, dort noch ein Selfie, da noch kurz innehalten. Mit äußerster Geduld und Verständnis geben uns die Guides so viel Zeit, wie nur irgendwie möglich, unseren Weg zum Zodiac zu finden. Unter Scherzen und mit sanftem Nachdruck bugsieren sie dann die letzten noch ins Boot, die so gar nicht gehen wollen. Mir gewähren sie mit Augenzwinkern die Ehre, als Letzte aufs Zodiac zu gehen. Das war es also. Es ist sehr ruhig am Zodiac, kaum Blicke treffen sich. Jeder ist in sich gekehrt. Ich kämpfe damit, cool zu bleiben, was ich noch nie gut konnte.

Zurück am Schiff setzt sich dieses auch schon in Bewegung Richtung Norden. Die Drake Passage wartet. Planmäßig um etwa 18 Uhr erreichen wir das offene Meer. Alle sind gespannt, was uns erwarten wird. Beim Recap um 18:30 Uhr prognostiziert Adam anhand der Wetterkarten für die nächsten zwei Tage eine ähnlich „unspektakuläre“ Überfahrt der Drake Passage wie bei der Anreise, am Montag vielleicht etwas höherer Wellengang als zuvor, also „gar nicht schlimm“. Gelächter. Seine nicht ganz ernst gemeinten Versuche, uns zu beruhigen gehen ins Leere. Ich nehme wieder sämtliche Mittelchen gegen Seekrankheit in und an mich. Michelle wirft zur Sicherheit gleich zwei Tabletten auf einmal ein, weshalb sie auch den restlichen Abend verschläft – eine Nebenwirkung der Tabletten. Ich setze mich in die heute sehr leere Lounge, um noch etwas am Blog zu schreiben. Ich bemerke Schwierigkeiten beim Sehen … offenbar beginnt mein Pflaster jetzt auch zu wirken. Als die Sehprobleme vorbei sind, werde ich hundemüde. Als ich schlafen gehe, haben die Wellen die Plancius bereits voll im Griff. Das kann ja heiter werden …

 






















 
 
 

4 Comments

Rated 0 out of 5 stars.
No ratings yet

Add a rating
Guest
Mar 03
Rated 5 out of 5 stars.

Wünsche eine nicht zu arge Drake Passage gehabt zu haben! Danke, das du für uns alle leidest, um uns dann nochmal in Persona alles ausführlich zu erzählen! (Auch wenn der Reisebericht keine Wünsche offen läßt - ahso, bis auf das Bierchen dazu - holen wir beim Erzähltreff nach!)

Like
Margit A. Schmid
Margit A. Schmid
Mar 05
Replying to

Es erzählt sich ja mit Bier noch viel besser! 😉

Like

Christian Lackermayer
Christian Lackermayer
Mar 03
Rated 5 out of 5 stars.

Und der nächste wunderbare Bericht einer großartigen Reise! 😍

Der Abschied fällt sicher schwer, genieße ihn trotzdem! 🤗

Like
Margit A. Schmid
Margit A. Schmid
Mar 05
Replying to

😘

Like
  • Facebook
  • Instagram
  • LinkedIn

© 2024 by Margit A. Schmid

Reportage-, Portrait-, Reise- und Drohnenfotografie

bottom of page