Dienstag, 25.2.2025 • 4° C, sonnig, schwacher Wind (3 Knoten)
GPS Position: 56°26.3’S / 065°44.2’W
Ich bin schon früher wach, kann nicht mehr schlafen. Ich warte auf Adams Durchsage um 7:15. Ein letztes "Good morning, good morning, good morning!" hallt übers Schiff. Eilig ziehen wir uns an, packen unsere letzten Sachen zusammen und stellen unsere Rucksäcke vor die Tür – unser Gepäck wird wieder für uns vom Schiff und in die Aussenstelle am Hafen gebracht – dorthin, wo ich vor 13 Tagen mein Gepäck eingecheckt habe. Wir gehen frühstücken. Es ist recht ruhig im Restaurant. Bei uns am Tisch spricht niemand. Meine Versuche, ein Gespräch zu beginnen, laufen ins Leere. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Wir wechseln zu Melissa, eine junge Deutsche, an den Tisch, bei ihr werden Plätze frei – sie wollte nochmal mit uns frühstücken. Auch hier mag nicht unbedingt Stimmung aufkommen. Wie läuft das dann ab? Gehen wir jetzt einfach vom Schiff und das wars? Schulterzucken. Fühlt sich komisch an, einfach so zu gehen. Wir müssen allerdings ohnehin noch auf die Freigabe der Behörde warten, dass wir ausschiffen, also von der MS Plancius gehen dürfen. Bevor wir das Restaurant verlassen, schauen wir noch in die Küche und verabschieden uns von Prince und Maria, die uns herzlich umarmt. Kurz nach 8:15 Uhr kommt von Albert die Durchsage, das Schiff ist freigegeben. Die ersten Passagiere machen sich auf den Weg Richtung Reling. Wir begegnen Lorraine und Steve, das ältere Paar aus New York, denen ich eine Fotoauswahl unserer gemeinsamen Tiersichtungen zusammengestellt habe und die mich nach New York eingeladen haben. Wir umarmen uns und sie gehen. Auch die Briten Graham und Tove gehen schon und sind recht schnell an uns vorbei, ein Nicken und Lächeln. Mit ihnen haben wir viel Zeit verbracht – er wird mir später am Flughafen erzählen "I couldn't talk". Immer mehr Leute passieren uns "Bye", "All the best", "Have a good time". Wir gehen in die Lounge, wo sich einige versammelt haben und den Moment des Abschieds noch etwas hinauszögern wollen. Es ist recht ruhig. Kontaktdaten werden noch ausgetauscht. Matt fragt nach meiner Telefonnummer, ich lade ihn nach Wien ein. Um 8:45 Uhr kommt die Durchsage von Adam: "Guys, you really need to leave now". Das wars nun also tatsächlich. Die Lounge leert sich, wir schnappen unsere Taschen und Jacken und gehen alle gemeinsam Richtung Ausgang. Als wir auf die Reling kommen, sind wir überrascht und sehr, sehr gerührt. Einige unserer Guides stehen Spalier, so wie vor 13 Tagen beim Ankommen, und verabschieden einen nach dem anderen mit den letzten persönlichen Worten und Umarmungen. Ich gehe die Gangway hinunter und sehe, dass unten die restlichen Guides stehen. Oh Mann. Ich höre Elizabeth in die Menge sagen "Please don't cry" – sie kämpft selber etwas. An diesem letzten Tag hören wir von einigen unserer Guides "You were a special group!". Jaja, das erzählt ihr jeder Gruppe! "No, really!" Es gab keine Gruppenbildungen unter uns, wir waren so ein homogenes Gemeinsames, das sei etwas sehr Besonderes, meinten sie. Offenbar hatten nicht nur wir sondern auch die Guides diese spezielle Dynamik unter uns gespürt und genossen. Passagiere stehen rundherum. Es werden Selfies gemacht und mit Scherzen versucht, die Stimmung aufzulockern. Wir sehen Megan unter den Leuten stehen. Die Amerikanerin war immer gut drauf und in ihrer Nähe gab es immer Spaß. Schön, dass wir uns von ihr auch noch verabschieden können. Steffi und Adam kommen noch – das macht das Gehen nicht leichter. Es wird noch getrascht und nochmal Fotos gemacht. Ich sag dann, "Ok, let's go" zu Michelle und Melissa, wir gehen ein paar Schritte, stehen wieder, beginnen wieder zu reden oder sehen noch jemanden, von dem wir uns noch verabschieden wollen. Ich glaub, bei meinem dritten "Ok, let's go" gehen wir dann wirklich. Ich muss hier weg.
Wir gehen den Pier entlang Richtung Stadt. Irgendwann sagt Melissa, sie bleibt hier mal sitzen, sie braucht Zeit für sich alleine. Wir verabschieden uns und Michelle und ich gehen weiter. Das ist schön, dass ich diesen Weg nun mit Michelle teilen kann. Vor 13 Tagen bin ich ihn alleine gegangen.
Am Hafen liegt eine Touristinfo, wir holen uns einen Antarktis-Stempel ab. Das muss noch sein! Auf der San Martin Street, der Hauptstraße von Ushuaia, schleppe ich Michelle durch drei Souvenirläden, bis wir dann endlich zu einem netten Café ums Eck einbiegen. Den Gedanken hatten schon mehrere ... es sitzen bereits 5 Passagiere unseres Schiffs verteilt auf verschiedenen Tischen. Lachen und ein paar Worte werden ausgetauscht, dann setzen wir uns aber auch auf einen eigenen Tisch. Wir wollen das ganze Begrüßungs- und Verabschiedungsprozedere nicht von neuem starten. Es kommen noch weitere bekannte Gesichter bei der Tür rein, auch Matt, der sich zu uns setzt. Wir trinken einen Kaffee, essen was Süßes für die Nerven, plaudern noch ein bisschen. Ich schreibe ein paar Postkarten und dann ist es auch schon Zeit, aufzubrechen. Es ist 11:15 Uhr, mein Flug geht um 14:20 Uhr. Die anderen haben noch länger Zeit. Matt und Michelle begleiten mich. Kaum stehen wir auf der Straße, treffen wir weitere Leute. Howard aus Shanghai und gleich drauf der Amerikaner Kurt, unser Zimmernachbar – das ist aber nett, von beiden hatten wir uns am Schiff nicht verabschiedet. Kurzes Plaudern und es geht weiter. Und wieder ein bekanntes Gesicht, hinter uns, und da kommt uns auch ein Paar entgegen, das wir kennen. Auf der anderen Straßenseite reißen 3 Guides ihre Hände in die Höhe und lachen rüber zu uns. Das ist ja sehr witzig – es scheint, als würden wir ganz Ushuaia kennen. Am Hafen angekommen, hole ich meinen Rucksack ab. Jetzt ist es soweit. Auch Michelle und ich müssen Abschied nehmen. Wir umarmen uns ein paar Mal und zerdrücken ein paar Tränen. Aber es ist nicht schlimm, wir wissen, wir werden uns wiedersehen. Wir gehen raus zum Taxi (ok, Uber) das bereits wartet. Letzte Umarmungen, Matt und Michelle winken mir nach, bis ich sie nicht mehr sehen kann.
Thank you Michelle, you made Antarctica even more special for me! <3
Am kleinen Flughafen in Ushuaia herrscht ein eher gemütliches Tempo, es dauert einige Zeit, bis ich beim Boarding bin. Und wie könnte es anders sein ... auch hier sitzen viele Bekannte. Ein langsamer Abschied, einer auf Raten, irgendwie find ich das grad sehr schön. Mindestens 15 Passagiere hab ich gezählt, die mit dem selben Flug wie ich nach Buenos Aires fliegen. Ich setz mich zu Maryanne und Su aus Singapur, wir plaudern gerade, als Graham zu mir kommt und mich nach meiner Mailadresse fragt. Wir reden eine Weile ... er erzählt, dass der Abschied vom Schiff heute sehr schwer war für ihn und Tove. Für wen wohl nicht? Es war ein trauriger, aber sehr schöner Abschied.
Bewegender Abschied, so wie es sein soll! Danke fürs Dabeisein können 😘!
Alles hat ein Ende, jedoch die Erinnerungen und die Menschen die du kennenlernen durftest, die bleiben.
Ganz eine schöne Geschichte, danke für deine Erzählungen und hautnahen Schilderungen deiner Erlebnisse.
War wirklich beeindruckend, freue mich dich bald wiederzusehen..
Halte diese vielfältigen und wunderbaren Begegnungen gut in dir fest.
Und jetzt: Auf zu neuen Abenteuern!
Da du mich mit deiner Begeisterung angesteckt hast, bin ich jetzt auch mit dir traurig. Aber das gilt sicher auch für dich: eine wunderbare Reise!
Oh, ein traurig-schöner Bericht. 😥 Aber vergiss nicht, richtig traurig ist ein Abschied eben vor allem nur dann, wenn das, wovon man sich verabschieden muss, auch etwas wirklich Besonderes war. Ich bin mir also sicher, du hast diesen Moment trotzdem genossen! 😊😘