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Eintauchen in die Antarktis – Tag 7

Autorenbild: Margit A. SchmidMargit A. Schmid

Aktualisiert: vor 5 Tagen

Mittwoch, 19.2.2025  • 1° C, bewölkt, sehr windig, Nachmittag sonnig

GPS Position um 12 Uhr: 64°33.0’S / 062°53.7’W

Immer noch ganz aufgeputscht von dem großartigen Kayak-Erlebnis vom Vortag muss beim Frühstück natürlich alles nochmal durchbesprochen werden und Erzählungen von anderen Passagieren über deren Aktivitäten werden gelauscht. Wir sind uns alle einig, dass wir zu 100 Prozent die für uns richtige Tour gebucht haben. Diese 12 Tage hier auf dem Schiff sind einfach unglaublich, der Hauptgewinn, wie wir feststellen. Es ist das ultimative Erlebnis, die Antarktis nicht nur vom Schiff aus zu sehen, sondern so viel Zeit wie möglich an Land oder auf dem Wasser zu verbringen – den 7. Kontinent mit allen Sinnen zu spüren und zu erleben und nicht nur zu besichtigen. Mitten drin statt nur dabei. Verantwortlich für diese immer wieder atemberaubenden Erlebnisse sind die Guides, die Maximales geben, immer entspannt im Umgang sind, ein unglaubliches Wissen mitbringen und obendrauf auch noch sehr witzig sein können. Jackpot!

Das Schiff hat in der Früh wieder Standort gewechselt und so machen wir heute eine Zodiac-Cruise in der Paradise Bay. Wir sind 10 Leute am Zodiac, wieder mit dem Guide Koen. Koen macht für eine mögliche Tiersichtung gern mal eine Runde mehr als vorgesehen, einfach weil er selber auch so viel Spaß daran hat. Wir bahnen uns wieder unseren Weg durch das Treibeis. Das Wasser ist so klar, dass man zwischen den Eisstücken den türkisen Meeresboden sehen kann. An den Ufern haben sich Gletscherwände aufgebaut und geben ein wunderschönes Bild ab mit ihren unzähligen Furchen und Höhlen, die teilweise sehr weit ins Innere reichen. An den nicht mit Eis und Schnee bedeckten Felsen wächst Moos. Während wir erfahren, warum Eis unterschiedliche Farben und Dichten hat, fischt Koen einen großen transparenten Eisblock aus dem Wasser und erzählt uns voller Hingabe einiges darüber. Dann geht es weiter durch das in dieser Bucht sehr dichte Treibeis. Es ist manchmal eine ziemliche Herausforderung für Koen, das Zodiac zu navigieren und nicht im Eis stecken zu bleiben. Wir kommen an der Forschungsstation „Brown“ vorbei, die das ganze Jahr über besetzt ist. Ein Argentinier bewohnt das Areal gemeinsam mit einer Pinguinkolonie. Ab und zu schaut ein Kormoran vorbei und versucht, etwas essbares zu ergattern. In der Nähe der Forschungsstation treffen wir auch auf eine Gruppe von Kayakern, Passagiere unseres Schiffes, die heute dieses tolle Erlebnis haben dürfen.

Wir kommen zu einer großen Eisscholle, die gerade von einigen Weddelrobben belagert wird. Gelangweilt beobachten uns die Tiere wie wir zig Fotos von ihnen schießen, dann schlafen sie wieder weiter. Es ist bewölkt, windig und eher unwirtlich, wir trotzen der Kälte aber und bleiben fast 3 Stunden am Zodiac. Wir sind grade rechtzeitig zum Mittagessen zurück. Mit noch kalten Fingern gehen wir ins Restaurant, wo schon viele Platz genommen haben. Was ich ganz besonders mag hier, ist  der „open table“, wie sie es nennen. Es gibt keine fixe Sitzordnung und jeder nimmt Platz, wo es ihm gerade sympathisch ist. 108 Passagiere jeden Alters aus 23 Ländern mischen sich drei mal am Tag kunterbunt durch und genießen gemeinsam eine Mahlzeit. Ich bin bisher wohl nie zweimal mit den exakt selben Menschen am Tisch gesessen. Man ist immer willkommen, egal an welchem Tisch man Platz nehmen möchte. Man lernt dadurch sehr viele Leute kennen und jede unterschiedliche Kombination am Tisch hat eine eigene Dynamik. Es bringt soviel Leichtigkeit mit sich – ich liebe dieses Konzept! Heute spürt man eine gewisse Unruhe im Restaurant. Will you do it? I don’t know … Will you? ... Nervosität breitet sich aus, die Aufregung ist immer stärker zu spüren. Es steht noch ein Ereignis an heute Nachmittag …

Um 14:30 Uhr klettern wir wieder ins Zodiac und verbringen eine Stunde am Wasser. Mir fällt auf, dass jedes Mal ein weißer Container mit an Bord ist, sobald wir mit dem Zodiac unterwegs sin. Auf meine Frage hin erklärt uns Valerie, unsere heutige Fahrerin, dass sie verpflichtend ein Überlebenspaket mitführen müssen. Der Container enthält Nahrung und Medizin für 50 Leute für einen Tag. Wir zehn Passagiere könnten also im Notfall fünf Tage lang überleben. Außer wir erfrieren.

Ganz nah an einer Gletscherwand entdecken wir einen Buckelwal mit Jungwal. Sehr süß, wie der kleine Wal seine Mutter imitiert und auch die kleine Schwanzflosse beim Eintauchen in den Himmel streckt. So entzückend!

Der Nachmittag ist ausnahmsweise zweigeteilt und wir haben nach der Stunde am Zodiac einen Landgang von wieder einer Stunde am Plan. Wir betreten Stoney Point. Am Ufer empfängt uns faul eine Weddelrobbe, nicht bereit, sich für uns zu bewegen. Nur ab und zu blinzelt sie in unsere Richtung und versichert sich, dass wir auch tatsächlich die 5 Meter Abstand einhalten. Wir marschieren, begleitet vom Geschnatter der Eselspinguine, auf einen kleinen Hügel hinauf. Die Sonne kommt raus und vertreibt immer mehr den Nebel und die Wolken. Bald haben wir strahlend blauen Himmel und ich drehe mich immer wieder um und lasse meinen Blick über die Bucht gleiten, die ausgebreitet vor mir liegt. Wie wunderschön es hier ist! Plötzlich höre ich laute Stimmen „a whale, a whale“ nein, es sind zwei Wale, und dort sind auch noch zwei, nein drei, nein vier… Unglaublich! Sechs Wale tummeln sich in der Bucht, die mit so einer Ruhe zwischen den weißen Bergen liegt und so ungeheuerlich vielen Meerestieren Platz bietet. Ein Teil unserer Gruppe macht gerade die Zodiac-Tour und ist ganz nah dran an den Walen. Immer wieder höre ich von den Leuten am Hügel „tail, tail, tail …. Nooooooo“ oder „tail, tail, tail …. Ooooohhhh yessss!“ Bei jeder Walsichtung ist es unser Highlight, wenn der Wal beim Abtauchen die Schwanzflosse zeigt, das macht er nämlich nicht jedes Mal. Und so hat es sich im Laufe der Woche so eingespielt, dass wir den Wal immer anfeuern. Bei sechs Walen gleichzeitig im Blickfeld war das natürlich ein riesen Durcheinander und Gelächter. Oben angekommen wird eine Antarktis-Fahne ausgepackt und wer Spaß dran hat, posiert für Selfies. Stoney Point ist unsere erste Landung tatsächlich auf dem antarktischen Festland, also am 7. Kontinent. Die Tage davor waren es immer vorgelagerte Inseln, die wir betraten. Michelle und ich lassen sich das heroische Foto natürlich nicht entgehen und posieren mit der blauen Fahne, die uns beinahe der Wind holt, so stark bläst dieser gerade über die Gipfel.

Nach unserem Abstieg finden wir uns mit allen anderen, nun auch mit den letzten Zodiac-Passagieren am Ufer ein. Jetzt ist es nämlich soweit … der Spaß kann beginnen. Die Aufregung ist am Höhepunkt: Polar-Plunge. Wer mag kann ins eiskalte Polarmeer eintauchen – es gilt nur, wenn auch der Kopf unter Wasser war. Mir war im Vorfeld schon klar, man muss nicht überall dabei sein. Ich hab mit dem Camping schon meinen Wahnsinn bestätigt. Ich muss nicht auch noch untertauchen. Während wir übermütig noch dabei sind, die Pinguine beim Sprung ins Wasser anzufeueren, stehen schon die ersten Männer nur in Shorts da, und können es kaum erwarten, endlich loslaufen zu können. Die Zodiacs werden noch in Stellung gebracht, um im Notfall so schnell wie möglich zur Stelle zu sein. Und los gehts. Die ersten Mutigen laufen ins Wasser um nach ein paar Metern völlig unterzutauchen. Jubel, Klatschen und Anfeuerung am Ufer. Immer mehr, Männer und Frauen entledigen sich ihrer unzähligen Schichten und laufen in Badekleidung oder Unterwäsche los, um ins 1 Grad kalte Wasser einzutauchen. Zurück am Ufer teilen die Guides mitgebrachte Handtücher aus. Es gilt natürlich so schnell wie möglich, trocken zu werden und wieder ins wärmende Gewand zu kommen. Michelle hat sich im letzten Moment noch dazu entschieden, doch auch die Challenge anzunehmen. Ich bleibe standhaft am Ufer, verschwende nicht mal einen Gedanken daran, dass ich es ihr gleichtun könnte. Ich bin eine bekennende Warmduscherin. Es sind aber tatsächlich nicht viele, die an diesem Nachmittag ihre Outdoor-Jacken anbehalten. Es ist eine großartige Stimmung am Strand, strahlende Gesichter der Helden, Gratulationen und lautstarke Erzählungen, wie extrem kalt es doch war und wie plötzlich es warm wird sobald man aus dem Wasser wieder auftaucht. Nur die Zehen bleiben schmerzhaft kalt. Die nassen Helden werden so schnell wie möglich mit den Zodiacs zum Schiff gebracht. An diesem Abend ist für kurze Zeit das Wasser „aus“, weil wohl alle zeitglich unter den heißen Duschen stehen.

Beim Abendessen wird alles noch einmal durchbesprochen und Anektoden erzählt – wir haben sehr viel Grund für Gelächter an diesem Abend. Michelle und ich bestellen uns zur Feier des Tages eine Flasche Wein, die wir gemütlich am großen Fenster der Lounge leeren. 

 
























 
 
 

6 Comments

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Casandra
Mar 01
Rated 5 out of 5 stars.

Daaaanke fürs teilhaben lassen. Die Fotos, genial, so echt, einfach schön. Das Eisbaden hättest jetzt aber auch noch mitmachen können 😂…. Aber ich verstehe, alles hat seine Grenzen!

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Margit A. Schmid
Margit A. Schmid
Mar 05
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Freud mich sehr, dass du mit dabei warst. 😍

Das Eisbaden überlass ich ich den Männern in der Familie 😉

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Nicoleee
Feb 27
Rated 5 out of 5 stars.

Also ich kanns kaum erwarten im vollen Audimax zu sitzen und dir während deiner Buchpräsentation dieser Reise deinen Erlebnissen zu lauschen.

🤩🤩🤩🤩🤩🤩🤩


Margit Schmid. Du bist in der Antarktis!

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Margit A. Schmid
Margit A. Schmid
Mar 05
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Oh ja, ich war in der Antarktis! 😎

Und der Rest bleibt ein Mythos... 😆

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Christian Lackermayer
Christian Lackermayer
Feb 26
Rated 5 out of 5 stars.

Ach, einfach herrlich! Mir wurde abwechselnd warm ums Herz und eiskalt in den Zehen! Danke wieder mal für diese großartige Geschichte, die sich kurzweilig liest und wie immer sehr viel tolle Einblicke in euren Alltag gibt. Die Fotos: bitte gut, kein Thema: Fantastisch!

Der Pinguin im Video wollte mit dem Vogel mitfliegen: "Flieg nicht davon, sondern zeig mir wie es geht! Ach schade ..."

Die Fast Forward Kamerafahrt eine wunderbare Idee. Ich habe jetzt das Gefühl ich war mittendrin statt gar nicht dabei! 🤗

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Margit A. Schmid
Margit A. Schmid
Mar 05
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❤️ Da würd jemand wohl gern selber fliegen lernen...

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