Donnerstag, 20.2.2025 • 1° C, bewölkt, teilweise sonnig, Nachmittag Schnee, windstill
GPS Position um 12 Uhr: 64°43.2’S / 062°34.9’W
Heute hat das Schiff im Errera Channel Anker ausgeworfen. Bereits vor dem ersten Landgang gehe ich aufs Deck und genieße die malerische Landschaft. Noch ist es ganz verhangen, aber die Sonne kämpft sich stellenweise bereits durch die dicke Wolkenschicht und gibt uns Hoffnung auf einen sonnigen Tag!
Wir gehen auf Danco Island an Land. Die Eselspinguine haben auch hier das Ufer fest im Griff, auf einer Eisscholle schläft eine Robbe. Wir marschieren ein Stück den Berg hinauf, die Pinguine begleiten uns. Kaum zu glauben, wie schnell die vermeintlichen Tollpatsche den Hang hinauf klettern. Es ist heute gar nicht so einfach, nicht auf ihren Highways herum zu latschen – so dicht haben die Pinguine ihr Verkehrsnetz aufgebaut. Immer wieder lassen wir den Blick über den Kanal wandern, der mittlerweile fast komplett in der Sonne liegt. Und da, wieder tummelt sich ein Wal im Wasser, zeigt, wie majestätisch er ist. „Tail, tail, tail!“ hört man es von allen Seiten. Je höher wir den Berg hinauf kommen, umso beeindruckender wird der Ausblick. Ganz oben haben wir einen 360°-Panorama-Blick auf den Kanal. Auf der einen Seite ragt ein Gletscher ins Meer hinein. Wunderschön! Wir stehen ewig oben am Berg, genießen das Panorama um uns herum, die schneebedeckten Berge, die Gletscher, das Meer, die kleinen Eisberge, die aus dem Wasser ragen und unser Schiff, das von oben auch fast wie ein Eisberg aussieht. Und wir genießen die Sonne, so herrlich! Wir haben bisher viele Tage im Nebel verbracht. Es ist komplett windstill. So eine Ruhe liegt über dem Kanal und wir spüren diese Ursprünglichkeit. Dieses unangetastete Land, die Gipfel, auf denen noch nie ein Mensch oben stand, noch nie ein Mensch Spuren hinterlassen hat, nicht eingegriffen hat, nichs zerstört oder verändert hat. Es treibt einem Tränen in die Augen, wenn man darüber nachdenkt. Die Antarktis, das letzte wirklich unberührte Land, so unschuldig, so majestätisch, so wunderschön, so unwirtlich und doch so sanft und voller Wunder. Alles was hier ist, wie es ist, ist so, weil es einfach so passiert ist, weil es die Gesetze der Natur sind. Pinguine, Robben, Wale, Vögel bilden eine Symbiose, die sich im Gleichgewicht befindet. Diese Antarktisbewohner können einfach sein, unangetastet. Und das wird dir noch einmal mehr bewusst, wenn ein kleiner Pinguin neugierig auf dich zu watschelt und dich einfach nur anschaut, neugierig, mit einem tiefen Urvertrauen. Ja, natürlich, wir stehen auch da oben, unten im Kanal steht unser Schiff auf Anker. Es ist ein winzig kleiner Fleckchen, an denen Touristen erlaubt sind – das ist zum Glück sehr streng geregelt. Natürlich haben wir das auch diskutiert, welche Spuren wir hinterlassen, ob es überhaupt vertretbar ist, in die Antarktis zu reisen. Unser Guide Jakub, Glaziologe, meinte, er ist fest davon überzeugt, dass es wichtig ist, dass Touristen in die Antarktis reisen (in begrenzter Anzahl natürlich), um von ihr verzaubert zu werden. Sie werden zu Botschaftern und müssen der Welt bewusst machen, wie wichtig es ist, diesen 7. Kontinent in seiner Ursprünglichkeit zu bewahren.
Es ist Zeit, wieder an die Küste zurückzukehren, die Zodiacs warten schon auf uns. Es werden noch Selfies gemacht und wir marschieren langsam abwärts. Pinguine watscheln an uns vorbei, rauf, runter, stolpern, rutschen weiter, stehen wieder auf und watscheln weiter. Immer sehr geschäftig, als gebe es noch irrsinnig viele Dinge zu erledigen.
Zurück am Schiff haben wir etwas Ruhepause. Es geht erst wieder um 14:30 weiter – eine Anlandung am Neko Harbour steht am Plan. Es ist unsere zweite kontinentale Anlandung, also tatsächlich am Festland und nicht auf einer Insel. Hier befindet sich ein großer Gletscher. Noch im Zodiac erhalten wir Anweisungen, dass wir achtsam sein müssen – bricht ein Teil vom Gletscher ab, müssen wir unbedingt sofort weg von der Küste und ein Stück rauf auf den Hang. So ein Abbruch kann massive Wellen auslösen. Von der Küste aus haben wir sehr gute Sicht auf den Gletscher. Es knarrt und kracht unentwegt – der Gletscher ist in Bewegung. Jakub, der Glaziologe unter den Guides, ist natürlich begeistert. Aber nicht nur er, sondern auch viele andere stellen ihre Kameras auf Stative auf, und bringen sich in Position, um ein eventuelles Kalben des Gletschers live mitzuerleben und auf Kamera festzuhalten. Ich bin eher an den Pinguinen interessiert. Die jungen Pinguine werden so lange von ihren Eltern ernährt, bis diese vollständig gemausert haben und mit ihrem neuen Federkleid auch ins Wasser gehen können. Die schon recht erwachsenen Küken verfolgen die Eltern unablässig und betteln nach Essen. Ab und zu würgt ein Elternteil einen Fisch aus seinem Rachen, meistens aber wirken sie einfach nur genervt von dem ständig bettelndem Nachwuchs und flüchten. Und die Küken laufen hinten nach. Ein sehr lustiges Schauspiel. Fast tun einem die Eltern leid, wie sie hektisch abhauen. Manchmal, wenn gar keine Ruhe ist, flüchtet das verfolgte Elternteil ins Wasser, dann haben sie kurz Auszeit! Der Nachwuchs kann noch nicht schwimmen.
Ein Stück weiter gibt es einen kleinen Tümpel. Lange beobachte ich, wie die Pinguine darin herumhüpfen, eintauchen oder durchwatscheln. Es landen zwei Kormorane, die auch am allgemeinen Geplätscher teilnehmen wollen. Eine Weile werden sie von zwei Pinguinen beobachtet, dann marschiert ein Pinguin auf sie zu und vertreibt sie. Lustig ist das. So ein kleiner Raufbold. Aber auch verständlich: Kormorane stehlen die Eier aus den Pinguin-Nestern. Kein Wunder, dass man so einen Gesellen nicht an seinem Badetümpel haben möchte.
Ich gehe zu den anderen, die nach einer Stunde immer noch in Richtung Gletscher stehen und auf ihr Glück hoffen. Es knarrt und kracht immer noch unentwegt. Ab und zu bricht irgendwo ein kleines Stück Eis ab und saust ins Meer. Und dann plötzlich … ein Grollen und Dösen, unter lautem Lärm bricht ein riesiges Stück vom Gletscher weg und stürzt ins Meer. Wow! Welche Urgewalt! Das Eis bildet einen Ring an der Wasseroberfläche, darunter bildet sich eine Welle, die sich auf die Küste zubewegt. Rufe von Adam, dem Expeditionsleiter, „Up, Up, Up!“. Nicht nur wir laufen ein paar Meter weg vom Strand, auch die Pinguine sind alarmiert und räumen den Strand. Ein faszinierendes Schauspiel. Jubel unter den Anwesenden, die die letzte Stunde wartend verbracht haben. Sobald sich das Meer wieder beruhigt hat, herrscht Stille. Das Knarren und Krachen des Gletschers ist vorbei. Wir hatten Glück, dieses Schauspiel beobachten zu können… es hatte sich schon Stunden vorher angekündigt. Ich wandere noch auf den Berg hinauf und genieße den weitläufigen Blick über die Gerlache-Straße während ich mich mit den Guides unterhalte. Es beginnt langsam zu schneien. Plötzlich kommt eine Durchsage übers Funkgerät: „There’s a penguin in my boat!“. Ein sehr witziger Schlagabtausch zwischen den Guides folgt, lautes Gelächter. Wie wir später bildhaft erfahren: Elizabeth wartet mit ihrem Zodiac draußen am Wasser, um uns in Kürze abzuholen. Sie filmt einen Pinguin, wie er um das Boot herum taucht und plötzlich mit einem Satz ist der Pinguin im Boot. Er steht und schaut und wirkt etwas verwirrt, wo er da grad gelandet ist. Rechts, links, er versucht, wieder abzuhauen, das Boot ist aber zu hoch. Er steht und schaut. Elizabeth ist ratlos, „what shall i do?“ Unmöglich kann sie ihn berühren. Letztendlich schubbst sie ihn mit einem Paddel aus dem Boot. Das wird zur Pointe des Tages. Zufällig ist es der Tag, an dem Elizabeth ihre Verlobung mit dem Chief Officer des Schiffs verkündet. Ein sehr außergewöhnliches Verlobungsgeschenk.
Zurück am Schiff herrscht Aufregung. Heute gibt’s Barbecue am Deck. And Dancing. Mmhh… was erwartet uns da? Bereits im Restaurant schallt uns Musik entgegen. Wir gehen weiter auf das Deck auf der hinteren Seite des Bootes. Buffet und Heurigentische sind aufgebaut fröhlich lachendes Personal kümmert sich um unser Barbecue. Die Stimmung ist ansteckend. Wir sind begeistert. Bereits im Takt mitwippend schauen wir auf den Errera Channel. Rund um uns ruhige See, Eisberge, Gletscher, die ganze unpackbare Magie der Antarktis. Und hier am Deck Party bei 0° C und kompletter Windstille. So absurd. Alles versmischt sich, die Welt draussen mit der Partylaune an Board. Laute Musik schallt raus aufs Eismeer, wird aber sofort von der Welt da draußen gedämpft, drei Robben treiben gemächlich auf einer Eisscholle vorbei, schauen mit großen Augen in unsere Richtung. Es gibt Glühwein zum Aufwärmen, der Veranstalter sponsert heute alle Getränke. Ausgelassene Gelächter an den Tischen. Zur Musik von Queen beginnt die Stimmung zu Brodeln, die Tische werden weggeräumt und Prince (ja, er heißt wirklich so), eine Frohnatur und unser Kellner an Bord, legt eine Solo-Tanzeinlage hin. Das ist der Startschuss für den ausgelassenen Wahnsinn der nächsten Stunden. Niemand sitzt mehr, niemand steht mehr ruhig, alt und jung tanzen, springen, schreien, singen sich das aufgestaute Adrenalin der letzten Tage aus dem Körper, es bricht alles raus. Als gäbe es kein Morgen, als hätten wir nur darauf gewartet, endlich das Ventil zu öffnen und all die aufgestauten Emotionen rauszulassen. Es hinauszuschreien, bevor es uns vor Glück zerreißt. Gemeinsam, als Gruppe, Menschen aus der ganzen Welt, die hier das ultimative Glück erfahren haben. Es beginnt zu schneien, Leute machen Selfies, es sind wohl einige unter ihnen, die vor der Antarktis noch nie Schnee erlebt hatten. Ich ergattere die letzte Dose Quilmes an Bord, mache ein Foto mit Michelle, und versuche, mir genau diesen Moment einzuspeichern. Beim nächsten Schneefall daheim möchte ich genau dieses Gefühl wieder abrufen können. Um 23 Uhr wird die Bar am Deck zugemacht, das Licht aufgedreht „Safety first“. Die Party wird in die Lounge verlegt. Michelle und ich trinken noch einen Gin Tonic an der Bar, tratschen noch bis nach Mitternacht. Ich geh dann schlafen, es ist Zeit. Michelle folgt irgendwann.
Video from Michelle
Zum wiederholten Male großartige Fotos. Fantastische Videos. Und fröhliche Menschen, weit weg vom Alltag. So unterschiedlicher Herkunft und so schön vereint! Und du mitten drin! Mesmerizing! 😍😘