Sonntag/Montag, 23. – 24.2.2025 • 3°/8° C, teilweise sonnig, schwacher Wind (4 Knoten)
GPS Position um 12 Uhr: 60°15.4’S / 063°26.5’W bzw. 56°05.2’S / 065°51.5’W
Um 8 Uhr klingt die Ansage von Adam durchs Schff ... Frühstück ist fertig. Es kann jetzt alles eine Spur entspannter ablaufen. Und es war auch eine recht ruhige Nacht, auch das Schaukeln des Schiffes hält sich in Grenzen. Genug aber, um sich wieder am Geländer entlang ins Restaurant zu handeln. Dieses ist überraschend gut gefüllt. Offenbar haben die meisten Passagiere einen ebenso guten Morgen wie ich. Zur Sicherheit haben wir aber in der Früh gleich unsere Tabletten genommen – wir wollen nichts dem Zufall überlassen. Bei Michelle wirken die Tabletten so stark, dass sie buchstäblich den gesamten Sonntag verschläft. Nur für die Mahlzeiten quält sie sich aus dem Bett. Ich bin auch sehr müde, schaffe aber einen halbwegs normalen Tagesablauf. Das wichtigste allerdings ist, dass mir weder schlecht noch schwindelig ist. Ich fühl mich nur sehr erschöpft. Ich freu mich über einen ruhigen Tag und hoffe, auch endlich mal einige Dinge am Computer bzw. im Internet erledigen zu können. Um 9:30 geh ich zum Fotografie-Vortrag von Koen, man muss ja am Laufenden bleiben, was die Kollegen so machen. Danach gehe ich „bummeln“ – ich möchte einige Souvenirs mit nach Hause nehmen. Die restlichen drei Vorträge des Tages lasse ich sausen. Bis zum Nachmittag hat sich zu aller Überraschung die Drake Passage völlig beruhigt – sie gleicht mehr einem See als der gefährlichsten Meeresstraße der Welt. Wir nehmen das mit Handkuss und genießen, solange es uns so gut geht.
Am Nachmittag fällt das Internet aus, was über 24 Stunden andauern wird. Witzig ... in den Tiefen der Antarktis hatten wir kaum Probleme mit dem Satelliten-Empfang, und gerade jetzt, wo wir der Zivilisation immer näher kommen … haha, müssen wir halt doch reden miteinander. Die Stimmung am Schiff ist generell recht ruhig, alle sind irgendwie in Warteposition, wann sich die Drake Passage von ihrer gefürchteten Seite zeigen wird. Auch am Abend ist kaum etwas los in der Lounge.
Wir haben aber noch eine Mission – ich hab Schnaps mitgebracht. Mein Onkel meinte, das einzige, das wirklich gegen Seekrankheit hilft, sei Schnaps. Mein anderer Onkel hat mir daraufhin gleich eine Flasche Schnaps in die Hand gedrückt. Eine kleine Kostprobe davon hab ich mit an Bord und Michelle und ich haben uns unter Gelächter für eine Testreihe bereiterklärt. Wie auch immer, es war auf jeden Fall köstlich!
Der Montag beginnt etwas turbulenter, durchaus hohe Wellen schaukeln das Schiff übers Meer. Allerdings wirken sich diese nicht so heftig aus – es ist wieder ein Bug-Heck-Schaukeln, aber wesentlich weniger, als die Höhe der Wellen annehmen lässt. Nur ab und zu kommt ein heftiger Rüttler, der restliche Tag verläuft recht erträglich. Michelle nimmt heute gar keine Tablette mehr, sie möchte den letzten Tag der Reise nicht wieder völlig verschlafen. Ich versuche auch mal, ohne Tablette auszukommen, ich fühle mich wirklich gut. Und ich hab' ja noch das Pflaster hinterm Ohr und meine Armbänder am Handgelenk.
Am Vormittag wird abgerechnet – wir haben während der gesamten Reise unsere Konsumationen auf unser Konto schreiben lassen. Ich bin positiv überrascht. Auch die Box, die für Trinkgeld für die insgesamt 52 Mitarbeiter bereit steht, füttere ich. Es ist tatsächlich ein unglaubliches Team, das hier am Schiff für unser Wohlergehen sorgt: Prince trällert in der Früh beim Brot toasten bereits „You are my sunshine, my only sunshine…”, Maria schenkt uns mit Tanzschritten, Hüftschwung und einem immer fröhlichen Lachen unseren Kaffee ein, Charlotte wusste am ersten Abend bereits unsere Namen und Zimmernummer. Die Guides leisten sowieso Unglaubliches um uns ein maximales Antarktis-Erlebnis zu bieten, haben immenses Fachwissen und sind obendrein immer gut gelaunt.
Um 9:30 Uhr höre ich mir den Vortrag von Steffi „Why penguins do not wear socks“ an – das kann man ja einfach nicht auslassen. Und tatsächlich, höchst interessant – Pinguine haben immer kalte Füße. Das macht durchaus Sinn, denn so schmilzt der Boden unter ihren Füßen nicht und sie rutschen nicht aus. Aha. Aber ein bisschen leid tun sie mir schon.
Michelle und ich gehen nach dem Mittagessen für eine Stunde auf das oberste Deck, und genießen die Sonne. Schön warm ist sie bereits. Es weht auch kaum Wind. Wir setzen uns mit einem Bier auf eine Bank und genießen den Moment. So ein Ruhe, es ist herrlich! Fast vergessen wir, dass es der letzte Tag unserer unglaublichen Reise ist. Ab und zu kommen ein paar Leute vorbei und setzen sich auch in die Sonne. Rund um uns nur das weite Meer und die Wellen, die uns aber wundersamerweise heute verschonen. Die Antarktis ist eine Prinzessin – wer sie sehen will, muss es sich verdienen, und die Strapazen der Drake Passage auf sich nehmen. Wer Glück hat, wird verschont. Wir haben großes Glück und sind sehr dankbar dafür!
Am Nachmittag müssen wir unsere Gummistiefel abgeben. Endlich! Unser Bad, in dem wir unsere Boots lagern, und unser Schlafzimmer riechen – mangels Möglichkeit zum Lüften – nach Pinguin. Auch das Room Service wird sich freuen, wenn wir den Geruch los sind – ja, wir haben Room Service! Jeden Morgen, während wir beim Frühstück sitzen, wird unser Zimmer gereinigt (sogar aufgeräumt!) und das Bad geputzt. Dabei wird auf Nachhaltigkeit geachtet, Handtücher nur gewaschen, wenn sie am Boden liegen, usw. Das Schiff verfügt über ein Wasseraufbereitungssystem und eine Entsalzungsanlage – das an Bord verwendete Wasser hat somit Trinkwasserqualität. Es schmeckt zwar etwas nach Chlor, aber daran gewöhnt man sich. Schöner Nebeneffekt – das Wasser ist extrem weich und für die Haut sehr angenehm, was bei der besonders trockenen Luft in der Antarktis ein willkommener Nebeneffekt ist. Ich hatte allerdings permanent einen kratzigen Hals durch die trockene Luft.
Nachdem ich in Windeseile meinen Rucksack gepackt habe, gehe ich um 16:30 in die Lounge – die Dokumentation „Around Cape Horn“ wird gezeigt. Ein etwas skurriles Stück Filmgeschichte … hätte man durchaus auch auslassen können.
Um 18:00 Uhr wird es dann offiziell. Der Kapitän lädt zum Captain’s Cocktail. Sekt wird ausgeschenkt und wir sitzen ein letztes Mal alle gemeinsam in der Lounge. Der Kapitän bedankt sich bei uns, Adam der Expeditionsleiter und die Guides halten emotionale Reden. Und die absolute Überraschung ist eine Präsentation, die die Guides Valeria und Elizabeth in zwei Tagen Arbeit für uns zusammengestellt haben. Wow, damit hatten wir nicht gerechnet! Die zwölf Minuten fassen unsere zwölf Tage sehr bewegend zusammen, mit allen Aktivitäten und Landgängen, mit vielen, vielen Fotos und Videos von uns und der Tierwelt die uns begegnet ist. Die Grundstimmung und der Spaß, den wir miteinander hatten, kommt wunderbar rüber. Und wieder ist es sehr schwer, cool zu bleiben. Am Ende der Präsentation wird eine Träne aus so manchem Gesicht gewischt.
Beim Abendessen marschiert heute das gesamte Team auf, das sich normal hinter den Kulissen befindet. Albert, der Hotelmanager, bedankt sich bei ihnen für ihre hervorragende Arbeit. Das können wir nur mit lautstarkem Beifall und Jubel bestätigen – sie sind wirklich eine einmalige Crew und haben großartige Arbeit geleistet. Außerdem gibt es nochmal einen Geburtstag zu feiern. Es wird Musik eingespielt, das Servicepersonal tanzt mit viel Humor durchs Restaurant und überreicht dem Geburtstagskind eine Schokotorte. Sechs Mal konnten wir das Spektakel erleben. Am ersten Tag wars tatsächlich eine große Überraschung – wir waren ja gerade mal für 3 Stunden an Bord.
Michelle und ich sitzen mit Passagieren aus Dänemark, Tschechien und Portugal am Tisch. Heute ist es besonders fröhlich und wir bleiben sehr lange im Restaurant. Jeder genießt noch das Zusammensein und diesen letzten Abend an Bord. Niemand spricht allerdings über das Ende … zu schwermütig wäre das Thema.
Nach dem Abendessen gehen wir in die Lounge. Sehr viele sind da und es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Michelle und ich setzen uns an die Bar und trinken noch zwei Getränke auf Einladung des Hauses. Wir unterhalten uns mit einer Britin, die mit ihren drei Freundinnen eine Vierer-Kabine teilt, die mir aber zuvor noch nie aufgefallen waren. Und mit dem jungen Amerikaner Philipp, der immer nur mit Haube anzutreffen ist, der mit seiner Mutter Julie an Bord ist, zu der er sich aber als Fremder ausgibt. Dann kommt das holländische Ehepaar, Laura und Fred, an die Bar, mit denen wir ein paar Male bei Tisch gesessen waren, und bleiben lange mit uns im Gespräch bevor sie schlafen gehen. Und dann war da noch der neuseeländische Guide, Dave, bei dem wir das Wandern gespritzt haben. Als wir noch mit einem Gin Tonic anstoßen, kommt die Venezuelerin Marialbys zu uns, die sich mit ihrem amerikanischen Mann Keith hier gerade auf Honeymoon befindet. Irgendwann gehen wir schlafen. Es muss wohl sein.
Bereits um 21 Uhr hatte die MS Plancius die Bucht vor Ushuaia erreicht ... wir waren augrund der ruhigen Wellen um so vieles früher am Ziel. Um Mitternacht legt sie endgültig im Hafen an. Wir sind zurück.
Gentle Mr. Drake then! Nimmt man natürlich mit Handkuss, denn Material für wilden Kotzgeschichten hatte man ja schon bei der Hinfahrt. 😁
Prost an die Onkels Sepp und Franz. 🍸
Ein schöner Abschluss wieder mal schön erzählt! Ja, du darfst eine Träne verdrücken. 😘