Freitag, 14.2.2025 • 7° C, bewölkt, schwacher Wind (5 Knoten)
GPS Position um 12 Uhr: 57°01.5’S / 065°23.9’W
Während sich die MS Plancius auf den Weg durch den Beagle Kanal macht, gehen an Bord langsam die Lichter aus. Wir Passagiere sind müde und gehen mit einem Lächeln im Gesicht schlafen – aber nicht ohne vorher noch unsere Wundermittel gegen Seekrankheit einzunehmen, aufzukleben oder anzulegen und die Gegenstände in unserer Kabine zu sichern. Irgendwann mitten in der Nacht wache ich auf und das Schiff schwankt nach links, nach rechts und schüttelt uns durch. Rundherum scheppert und kratzt etwas. Wir sind in der berüchtigten Drake Passage angekommen – die Meeresenge, die wir passieren müssen, um in die Antarktis zu kommen, daran führt leider kein Weg vorbei. Nach einiger Zeit kann ich zu meiner Überraschung wieder einschlafen und werde halbwegs ausgeschlafen mit dem Weckruf von Adam, unserem Expeditionsleiter, wach. Duschen wird zur großen Herausforderung, ein paar mal werde ich gegen die Duschwand geschleudert, ebenso beim Umziehen im Zimmer hab ich mir ein paar blaue Flecken zugezogen. Sich am Gang oder im Frühstücksraum fortzubewegen ist gleichermaßen herausfordernd. Eine Hand bleibt immer am Geländer oder an einem Möbelstück, um gesichert zu sein. Es wirkt fast lustig, wie wir uns alle durch den Raum handeln, dann wieder mal aufeinander krachen, weil wir eine Sekunde lang unaufmerksam waren. Irgendwo klirrt ein Besteck, das vom Tisch saust oder ein Glas das am Boden zersplittert. Unter den Tischen, ein paar Zentimeter über dem Boden, sind Metallstäbe montiert, an denen man sich mit den Füßen einhängen kann – es kann sonst schon durchaus vorkommen, dass man bei der nächsten Welle samt Sessel umkippt. Das Schiff schwankt weiterhin stark nach allen Seiten. 3-4 Meter hohe Wellen und 20 Knoten Wind sind Schuld daran. Laut Crewmitglieder schon etwas schlimmer als normal, aber es ist durchaus noch Luft nach oben, es geht noch wilder, meinen sie. Zum Frühstück fehlen bereits einige Leute, sie liegen mit Übelkeit im Bett, es ist unmöglich für sie, aufzustehen. Die, die es geschafft haben, sitzen mit bleichem Gesicht bei Tisch und nagen unter höchster Konzentration an einem Stück Brot … recht viel mehr geht nicht. Es ist recht ruhig im Restaurant an diesem Morgen. Ich fühl mich etwas schwindelig, aber sonst ok. Meine Zimmerkollegin Michelle ist bestens gelaunt, sie spürt überhaupt nichts von der Seekrankheit. Bei Verlassen des Frühstücksraums wird mir erst bewusst, dass über das gesamte Schiff Speibsackerl verteilt liegen. … in unserem Zimmer, im Restaurant an jedem freien Fleckerl, am Gang zwischen Wand und Geländer gesteckt.
Um 9:30 Uhr gibt es wieder ein Briefing – Sicherheit am Zodiac und Regeln für unsere Landgänge. Das Betreten der Antarktis ist extrem streng reglementiert, es soll unter allen Umständen verhindert werden, dass Tiere sich von uns gestört fühlen, dass wir über die rare Pflanzenwelt latschen oder Organisches in jeder Form einschleppen, das hier nicht hingehört. Um 11:30 Uhr werden die Leihstiefel, mit denen wir sämtliche Landgänge absolvieren werden, anprobiert. Am Nachmittag wird unsere gesamte Ausrüstung, die wir außen als letzte Schicht tragen, sorgfältigst von den Guides geprüft, Fusel werden aus Tascheninnennähten abgesaugt und Erde von Wanderstöcken abgebürstet. Da wird mir bewusst, wie fragil das Ökosystem in der Antarktis sein muss und wie groß die Bestrebungen der Crew-Mitglieder sind, dieses Ökosystem nicht zu gefährden. Michelle und ich gehen auf die Brücke zum Kapitän, und beobachten aus bester Perspektive das wilde Treiben der Wellen. Es schient endlos zu sein. 2 Tage dauert die Querung der Drake Passage. Das Schiff neigt sich teilweise um 15–20°. Auch das ist eher Durchschnitt, es geht durchaus noch wilder meint der Kapitän. Am Weg zurück handeln wir uns an einem Passagier vorbei, der, konzentriert auf ein Speibsackerl, kreidebleich auf der Stiege sitzt.
Zurück in meiner Kabine hören wir aus irgendeiner anderen Kabine auf unserem Bordlevel 4 wie sich jemand wohl gerade übergibt, es klingt nach einer unendlichen Qual. Nicht viel später lehne ich selber über unserem Klo und gebe das Mittagessen wieder her. Ziemlich genau 24 Stunden vorher war ich noch der glücklichste Mensch der Welt, und jetzt ein Häufchen Elend. Eine Stunde Schlaf hat mir gut getan und ich schaffe es zuerst zum Fotovortrag von Guide Koen und dann zum Abendessen. Zu diesem Zeitpunkt liegen 25 Leute, also knapp ein Viertel der Passagiere, im Bett und sind unfähig, ihre Kabine zu verlassen. Wieder sitzen viele weitere mit bleichem Gesicht beim Abendessen. Ich liege an diesem Tag um 9 Uhr im Bett und schlafe 10 Stunden durch. Ach wie lange habe ich schon nicht mehr so gut geschlafen. Das Schiff tut mir gut – Seekrankheit hin oder her.
Margit,
Ich wünsche dir eine wundervolle Reise, und freue mich drauf, alles mitzuverfolgen!
Die Drakenpassage hat mich auch zerrissen 😅
Liebe Grüße!
Wie aufregend! Schön, so ein bisschen mitreisen zu können! Hoff die Übelkeit ist bald vorbei!!!
Wow! Sehr spannend! Alles Gute! Danke fürs Dabeisein dürfen 🥰👏🏼
Unglaublich- es liest sich wie ein Abenteuer- das ist es ja wohl auch- wir fiebern alle mit- ich hab meiner Familie alles vorgelesen- alle total beeindruckt-„ist das ein Forscher Schiff- wie heil ist das denn? Warum macht man sowas?“ O-Ton Xaver 🤣
Ich schätze mal,- nein, ich weiß ,ich wäre bei der Fraktion dabei, die nie wieder aus der Kabine rauskommen…
Alles alles Gute und hoffentlich bist du bald nicht mehr seekrank! Bis bald! Freu mich auf deine nächste Geschichte
Toll was du machst, ich würde nur kotzen! Bin schon gespannt auf deine nächste Story 🤩 alles Gute!