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Noch einmal majestätischer Besuch – Tag 9

Autorenbild: Margit A. SchmidMargit A. Schmid

Aktualisiert: vor 4 Tagen

Freitag, 21.2.2025  • 2° C, bewölkt, teilweise sonnig, windstill

GPS Position um 12 Uhr: 64°33.6’S / 061°39.5’W

Der Weckruf um 7:15 kommt dann doch etwas ungelegen – der Kater ist nämlich auch schon da. Naja, wer feiern kann, kann auch … Genau, deswegen raus aus den Federn und frühstücken, Programm wie gewohnt. Alles halt mit etwas weniger Elan als sonst.

Eine Zodiac-Cruise bei Foyn Harbour steht am Plan. Dieses Mal mit Steffi, unserer Guide(in) aus Deutschland bzw. Wien. Das Wetter ist vielversprechend, immer wieder schaut die Sonne durch die Wolkendecke. Die Landschaft ist wesentlich sanfter als die letzten Tage. Berge sind einer Hügellandschaft gewichen. Es dauert nicht lang und wir entdecken eine große Gruppe von Pelzrobben am felsigen Ufer abhängen. Wir beobachten sie eine Weile, sie kümmern sich nicht sonderlich um uns. Einige Vögel tummeln sich in ihrer Nähe, unter anderem Kormorane und ein Albatros. Vor allem Albatrosse haben wir bisher nur sehr selten zu Gesicht bekommen. Es fällt uns wieder auf, wie wunderbar klar das Wasser ist. Die nach wie vor zahlreichen Eisberge leuchten im schönsten Türkis unter der Oberfläche. Steffi bringt uns in eine Bucht, in der ein Schiffswrack, die "Governoren" liegt. Auf dem über hundert Jahre alten Walfänger-Schiff wurde früher Walöl produziert – bis zu dem schicksalshaften Tag im Jahr 1915, an dem ein Umtrunk an Bord zu sehr ausuferte und das Schiff in Flammen aufging. Bei einem mit Walöl voll beladenem Schiff eher nicht so günstig. Die 85 Mann Besatzung konnte sich retten, musste sich aber wohl einen neuen Job suchen. Hinter dem Wrack hat ein, wie wir vermuten, privates Segelboot angelegt. Steffi schüttelt nur den Kopf … direkt über dem Schiff ragt ein Gletscherüberhang in die Höhe. Falls das Eis abbricht, hätte das verheerende Folgen für den Segler. Die goldene Regel: die doppelte Gletscherhöhe Abstand halten, um bei einem eventuellen Abbruch aus der Gefahrenzone zu sein. Wir fahren mit dem Zodiac weiter raus aus der Bucht. Plötzlich kommt ein Funkspruch: "Whales!" Oh yesss! Bald treffen wir auf die anderen Zodiacs, die sich bereits in der Nähe von zwei Buckelwalen verteilt haben. Ach, wie schön! Die beiden Wale sind sehr entspannt, liegen lange einfach im Wasser, drehen sich ab und zu oder schwimmen ein Stück, blasen dazwischen ab und zu Fontänen aus zur Atmung. Wir haben richtig viel Zeit, um ihre Anwesenheit zu genießen. Es ist komplett still um uns herum, nur der Wind, das Meer und die Wale sind zu hören. Auf einmal dreht sich ein Wal auf den Rücken, und, als würde er sich nach einem ausgiebigen Nickerchen dehnen, streckt er zuerst die eine Brustflosse in die Höhe – sie wirkt richtig fragil in der Luft – und lässt sie zurück ins Wasser fallen. Bam – eine irrsinnige Wucht, als die Flosse auf die Wasseroberfläche platscht. Dann die andere Flosse, wiederholt dies ein paar mal – Bam, Bam – dreht sich wieder um und taucht unter. Wow! Was für ein Erlebnis! Wir halten den Atem an, das waren unglaublich intensive Momente. Vor allem weil der Wal so nahe war – ich habe die beiden Flossen mit meinem 200er-Objektiv nicht vollständig aufs Bild gebracht! Kurz darauf kommt ein Funkspruch rein und wir hören irgendetwas von einem Chocolate-Boat. What? Das kann nur ein Scherz sein. Es dauert nicht lange, da sehen wir den Hotelmanager Albert mit ein paar Kollegen in einem Zodiac in etwas Entfernung zu unserem Wal-Schauplatz. Heiße Schokolade! Wie cool ist das denn bitte!?! Wir sind völlig überdreht, als Albert jedem von uns eine Tasse heiße Schokolade, „mit oder ohne Rum?“, mit Schlagobershäubchen ins Boot reicht. Beste Crew ever! Heiße Schokolade schlürfend fahren wir wieder zurück zu den Walen, die sich immer noch in der Region tummeln. Eine Weile leisten wir ihnen noch Gesellschaft, genießen den Anblick der majestätischen Riesen und fahren dann wieder mal sehr glücklich zurück zum Schiff.

Nach dem Mittagessen lege ich mich kurz hin, ich bin hundemüde. Nicht nur die Party vom Vortag, sondern vor allem auch das intensive Programm der letzten Tage zehrt ganz schön an mir. Wir haben kaum Zeit zum Verschnaufen, hetzen vom Frühstück zur Aktivität zum Mittagessen zur Aktivität zum Recap zum Abendessen. Zweimal am Tag rein in unsere Schichten und teilweise nass oder durchgefroren wieder raus aus unseren Schichten. Und dann, wer noch Energie hat, noch ein bisschen soziales Leben in der Lounge. Ich bin extrem erschöpft. Es geht aber vielen so – einstimmige Aussage: wir brauchen Urlaub nach der Reise! Aber wir hätten es wohl auch nicht anders gewollt … jede Minute Freizeit mehr würde bedeuten, wir hätten eine Minute weniger da draußen in dieser wunderbaren Welt. Michelle weckt mich nach einer Stunde Tiefschlaf, ich hab nicht einmal die Lautsprecherdurchsage von Adam wahrgenommen, dass die Zodiacs bereitstehen. Ich stehe noch ganz verschlafen rechtzeitig beim Ausgang. Weiter geht’s. Wir landen am Portal Point in der Charlotte Bay – unsere dritte kontinentale Landung. Mit Entäuschung stellen wir fest … keine Pinguine! Das ist unser erster Tag ohne Pinguine … irgendwie kommt das Gefühl von Abschied auf. Es ist unser vorletzter Tag, bevor wir uns wieder auf den Weg über die Drake Passage machen. Wir spazieren ein Stück zu einem Aussichtspunkt. Die Berge sind hier wieder schroffer und spektakulärer. In der Bucht liegen viele Eisberge. An der Küste ist sehr viel Treibeis angeschwemmt, was ein ständiges Klacken, Krachen und Klirren mit sich bringt, wenn die Wellen aufs Ufer schwappen. Wir wandern über einen Hügel auf die andere Seite der Bucht und stehen lange mit Blick auf das Treibeis. Jeder in seinen Gedanken verloren, das ständige Klacken und Krachen des Eises im Ohr. Das regelmäßige Geräusch übertönt alles und bringt eine irrsinnige Ruhe mit sich. Das Rauschen der Wellen verstärkt die Regelmäßigkeit. Man hört kaum jemanden reden. Ich denke, hier werden gerade viele Gedanken gedacht, die sich mit unserem bevorstehendem Abschied beschäftigen. Jeder für sich. Gedanken, die eigentlich keiner denken möchte – für die wir so überhaupt noch nicht bereit sind. Es sind sich dann beinahe alle einig… lasst uns früher aufs Schiff zurückkehren. Ein bisschen mehr Zeit für sich am Schiff tut jedem gut.

Gleich nachdem alle an Bord sind, setzt sich die MS Plancius in Bewegung und nimmt Kurs auf die Südlichen Shetlandinseln, der nördlichste Teil der Antarktis. Es steht eine lange Fahrt bevor. Während die Sonne langsam untergeht, bildet sich eine lange Schlange bei der Schiffsärztin, die ihre Praxis in die Lounge verlegt hat. Alle wollen sich rüsten für die gefürchtete Drake Passage ... ab morgen um 18 Uhr treten wir die Rückfahrt an – und dieses Mal will es niemand dem Zufall überlassen. Ein wunderschöner Sonnenuntergang begleitet uns Richtung Norden. Wir sitzen noch lange in der Lounge und schauen dem Mond zu, wie er langsam das Abendrot in kühles Blau verwandelt.

 


Ton anhören – sehr aufschlussreich :)



















 
 
 

6 Comments

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Casandra
Mar 08
Rated 5 out of 5 stars.

Du solltest ein Buch schreiben liebe Margit! Man merkt wie dich dieser Kontinent verzaubert hat! Grandiose Fotos, wie immer🙂!

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Margit A. Schmid
Margit A. Schmid
Mar 08
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Ich glaub, ich bleib doch lieber beim Blog 😉

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Guest
Mar 03
Rated 5 out of 5 stars.

Wiedermal sehr gefühlvoll und gleichzeitig mitreißend geschrieben! Und wollte euch die Wienerin mit dem Auflug zum Walfängerwrack eine Lektion erteilen...nach dem Motto:"Das passiert, wenn man zu viel säuft?" ;)

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Margit A. Schmid
Margit A. Schmid
Mar 05
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🤣

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Christian Lackermayer
Christian Lackermayer
Mar 02
Rated 5 out of 5 stars.

Großartige Unterwasseraufnahmen inklusive Walkommunikation! Sehr cool! 😃

Und natürlich wieder eine wunderbare und kurzweilige Geschichte dazu! 😊

Ich halte die Daumen für die Drake-Passage! 😯

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Margit A. Schmid
Margit A. Schmid
Mar 05
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Dankeee!!! 😍

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